Diercke Geographie 1
Das Schulbuch „Diercke Geographie 1“ wurde 2017 in der ersten Auflage vom Westermann-Verlag herausgegeben. Es ist für den Geographieunterricht der Jahrgangsstufe 5/6 des schleswig-holsteinischen Gymnasiums konzipiert worden. Neben dem Schülerband sind Lehrerhandreichungen mit Kopiervorlagen sowie ein digitaler Unterrichtsassistent in der BiBox erhältlich, mit der die Inhalte des Buches auf die individuellen Voraussetzungen der Lerngruppe angepasst werden können. Erwähnenswert ist zudem, dass die Materialien der Diercke-Reihe stets kompatibel mit dem vielfach genutzten Diercke-Schulatlas sind. Das Thema Landwirtschaft wird umfassend im dritten Kapitel „Landwirtschaft und Fischerei in Deutschland – Herstellung von Nahrungsmitteln“ behandelt.
Lernziele und Kompetenzen
Im der Bearbeitung der Seiten des Schulbuches erwerben die Lernenden jene Kompetenzen, die der Lehrplan des Bundeslandes Schleswig-Holstein für das Fach Erdkunde vorsieht. So kann das im Lehrplan angeführte Thema „Ohne Landwirtschaft geht es nicht“ mit den Seiten des Lehrwerkes vollumfänglich umgesetzt werden. Beispielsweise wird darin gefordert, dass die Schülerinnen und Schüler[1] erkennen, dass die Nahrungsmittel aus den deutschen Supermärkten aus aller Welt kommen. Das Buch greift diese Thematik im Rahmen einer Doppelseite auf, die sich auch mit Aspekten der Regionalität und Saisonalität von Lebensmitteln befasst. Ein weiterer Punkt sind Gunst- und Ungunstgebiete der Landwirtschaft in Deutschland. Eine Doppelseite thematisiert dies mit Hilfe von thematischen Karten, auf der die Lernenden die entsprechenden Räume verorten können und zentrale Anbaugebiete von Obst- und Gemüse oder Regionen der intensiven Tierhaltung herausarbeiten.
Aufbau und Analyse der Kapitel
Im Einband des Schulbuches befindet sich eine physische Deutschlandkarte sowie eine Europakarte. Nach dem Deckblatt und dem Impressum folgt das Inhaltsverzeichnis. Darin werden die zehn Kapitel mitsamt ihren Unterkapiteln und dem Anhang angeführt. Sie sind farblich verschieden hervorgehoben. Die Kapitel beginnen immer mit Einstiegsdoppelseiten, die oftmals großformatige Fotos, viele kleine Bilder oder Grafiken zu den neuen Themen anbieten. In den Kapiteln findet sich eine bunte Mischung an Angeboten. Die Geo-Aktiv-Seiten sind so konzipiert, dass auf der Grundlage ihrer Materialien Projekte oder langfristige Aufgaben durchgeführt werden können. Mithilfe der Bilder, Texte und Grafiken können sich die Lernenden informieren und Anregungen für die eigene Arbeit holen. Auf den Geo-Orientierung-Seiten wird zumeist das Erlernen und Einüben von geographischen und facherübergreifenden Arbeitsmethoden fokussiert, wie zum Beispiel dem Auswerten von Karten, Lesen von Tabellen oder Karikaturen. Zu diesen besonderen Seiten gesellen sich die klassischen Themendoppelseiten, die ebenfalls mit einer breiten medialen Vielfalt aufwarten: Bilder, Texte, Grafiken, Karten und sonstige Materialien sind dort vielfältig kombiniert. Auch die Aufgaben finden sich dort, die selten mehr als vier umfassen. Das Ende jedes Kapitels markiert eine Doppelseite (gewusst-gekonnt), mit der die Schüler das Gelernte individuell überprüfen können. Auch dort finden sich vielfältige Medien, die auf die entsprechenden Inhalte im Kapitel zielführend abgestimmt sind.
Im Anhang des Schulbuches finden sich zudem ein Glossar mit wichtigen (Fach-)Begriffen, einer Erläuterung seiner Konzeption sowie weiteren Karten und Bildnachweisen. Im Einband ist neben der Karte auch ein Online-Schlüssel zu finden, mit dem weitere Inhalte auch digital aufgerufen werden können.
Reflexion
Die Analyse der Kapitel hat bereits aufgezeigt, dass sie abwechslungsreich, medial vielfältig und schülergerecht gestaltet sind. Die Bilder sind zielführend ausgewählt sowie von guter Qualität und motivieren die Schüler, sich mit den Themen auseinanderzusetzen. Ihre jeweiligen Bildunterschriften könnten jedoch aussagekräftiger sein, um die Schüler beim Kompetenzerwerb zu unterstützen. Besonders auf den Auftaktseiten könnten die durch eine Angabe über die in dem entsprechenden Kapitel zu fördernden Fähigkeiten mehr Lernzieltransparenz für die Schüler geben. Die Texte der Doppelseiten zeichnen sich durch eine schülergerechte Sprache aus, weisen aber eher einen narrativen Charakter auf, sodass die Orientierung an den Sachverhalten teilweise verloren geht. Zudem sind sie sehr lang und nehmen teilweise mehr als eine Doppelseite ein. Dennoch werden wichtige Fachbegriffe eingeführt, im Text markiert und für die Schüler deutlich gemacht. Auch die übrigen Materialien wie die Tabellen und Grafiken orientieren sich an der Lebenswelt der Lernenden. Sie integrieren sich gut in das optische Gesamtbild der Seiten und können beim Lösen der Aufgaben hinzugezogen werden. Die Aufgaben selbst sind operationalisiert, könnten aber „moderner“ sein, indem Aspekte der Handlungsorientierung aufgegriffen werden. So würden beispielsweise kooperative Lerngelegenheiten einen klassischen Frontalunterricht auflockern und die Schüler zusätzlich motivieren. Außerdem könnten die inhaltlichen Schwerpunkte insbesondere die zur Landwirtschaft tiefer und vielseitiger durchdrungen werden.
Das Kapitel zur Landwirtschaft beginnt mit einer Geo-Aktiv-Seite, die mit der Frage: „Woher kommen unsere Lebensmittel?“ überschrieben ist und sich den Aspekten der Regionalität und Saisonalität widmet. Während die erste Seite einen langen Text beinhaltet, der eher narrativer Natur ist, werden auf der zweiten Seite vielfältige Materialien angeboten. Darunter finden sich Anregungen für die Gestaltung eines Essenstagebuches. Ferner wird auf die Seite von „Mundraub“ verwiesen, mit deren Hilfe öffentlich zugängliche Obstwiesen oder Gärten gefunden und die Früchte geerntet werden können. So bietet diese Seite interessante und lebensweltnahe Impulse für eine unterrichtliche Umsetzung.
Auf der zweiten Seite, einer Geo-Orientierung-Seite, werden die zentralen Anbaugebiete und landwirtschaftlichen Nutzungsformen in Deutschland mit Hilfe einer thematischen Karte herausgearbeitet. Wichtige Begriffe sind fett markiert und der Text erläutert die Sachverhalte altersadäquat und schülergerecht. Dennoch könnte an einigen Stellen eine bessere begriffliche Schärfe dazu beitragen, dass eine leichtere Unterscheidung der einzelnen Nutzungsformen für die Schüler möglich ist. Auch die Aufgaben greifen dies nicht weiter auf. Sie stellen vordringlich Ordnungsaufgaben bereit und tragen nur bedingt zu einer tiefgründigen Auseinandersetzung mit den neuen Sachverhalten bei. Für die Auswertung der Karte werden drei Fragen aufgeworfen, mit deren Hilfe die Lernenden schrittweise vorgehen sollen. Mittlerweile besteht in der Forschung jedoch weitgehend Konsens darüber, dass sich für derartige Formen der Auswertung Checklisten am besten eignen, um den Schülern eine Abfolge zu verdeutlichen[2]. Diese können sie dann übertragen und immer wieder nutzen.
Es folgt eine Doppelseite zur Herstellung von Brot. Der dargebotene Text ist erneut sehr narrativ und verliert teilweise den Blick auf den zentralen Sachverhalt. Es werden darüber hinaus keine Bezüge zu den vorhergehenden Seiten aufgebaut. Dennoch sind die Abbildungen zielgerichtet ausgewählt und unterstützen den Kompetenzerwerb der Schüler. Die Aufgaben fokussieren auf die Wertschöpfungskette vom Korn zum Brot und regen zu einer tieferen Auseinandersetzung an.
Die nächste Doppelseite setzt sich mit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft auseinander. Der Text ist schülergerecht, jedoch wieder narrativ und verliert dadurch den Blick für das Wesentliche. Obwohl Fachbegriffe hervorgehoben werden, findet keine weitere Erläuterung statt. Weiterhin fehlen andere zentrale Wörter, wie zum Beispiel „Strukturwandel“. Die Bilder passen inhaltlich zu den Aussagen, werden jedoch nicht im Text oder den Aufgaben erwähnt. Sie zeigen eine Biogasanlage, ein Melkkarussell oder einen Hofladen, deren Besonderheiten oder Funktionen nicht aufgegriffen werden. Auch die Aufgaben spiegeln diese eher oberflächliche Betrachtung wieder. Wünschenswert wäre ein stärkerer Bezug zu den Materialien, die sehr ansprechend und gut ausgewählt wurden.
Auf der Doppelseite zur konventionellen Tierhaltung erfolgt die Thematisierung am Beispiel der intensiven Schweineproduktion. Der Text stellt die Sachverhalte sehr objektiv dar und bringt mehrere Perspektiven auf die Thematik ein. Er könnte an einigen Stellen etwas zielführender sein. Auffällig ist, dass auch hier teilweise die begriffliche Schärfe fehlt. So wird von Intensivtierhaltung, Massenhaltung, Massentierhaltung und konventioneller Tierhaltung auf einer Doppelseite gesprochen. Diese vielen Begriffe können Schüler verwirren oder verunsichern. Wünschenswert wäre sowohl bei dieser als auch bei der vorhergehenden Seite ein Bezug zum außerschulischen Lernen, der zum Einnehmen einer individuellen Perspektive anregt und die Schüler motiviert. Es folgt die Doppelseite zur ökologischen Tierhaltung. Wieder wird in Form eines Interviews über die Arbeit auf einem Bio-Bauernhof berichtet. Dieser arbeitet teilweise mit anderen Begriffen, als die Doppelseiten zuvor. Die Bilder und Materialien sind angemessen und verdeutlichen den Schülern die Unterschiede zur konventionellen Landwirtschaft. In den Aufgaben wird jedoch eher ein vergleichender Blick eingenommen und zur Annahme einer kritischen Haltung gegenüber der konventionellen Landwirtschaft animiert.
Auf der anschließenden Doppelseite, die sich der „bewussten Ernährung“ zuwendet, wird das Projekt des „Halbzeitvegetariers“ eingeführt. Der Text geht insgesamt sehr kritisch mit der konventionellen Landwirtschaft um und trägt nicht zu einer objektiven Auseinandersetzung mit der Thematik bei. Die Abbildungen und Zusatzmaterialien nehmen noch einmal eine regionale und saisonale Perspektive ein und erläutern grundlegende Marktmechanismen.
Alles in allem lässt sich abschließend sagen, dass das Schulbuch durch seine schülerorientierte und abwechslungsreiche Gestaltung überzeugen kann. Besonders die Bilder und die vielfältigen Materialien sind gelungen und zielführend. Kritisch zu bewerten sind die Texte, denen durch ihren narrativen Charakter der Informationsgehalt und der Blick auf das Wesentliche zum Teil verloren geht. Auch etwas mehr Lernzieltransparenz für die Lernenden wäre wünschenswert und könnte durch Zielformulierungen am Beginn jedes Kapitels realisiert werden. Auch modernere, handlungsorientierte Aufgabenformate, die das Kooperative Lernen in den Blick nehmen, würden zu einer Auflockerung des Unterrichts beitragen und die Schüler zum selbstständigen Arbeiten anregen. Dafür könnte auch das außerschulische regionale Lernen einen wertvollen Beitrag leisten.
[1] Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden das generische Maskulinum verwendet.
[2] Die Cognitive-Load-Theorie (oder Kognitive-Überlastungs-Theorie) nach CHANDLER & SWELLER 1994/ SWELLER 2003 beschreibt die Wirksamkeit von ausgearbeiteten Lösungsbeispielen (Worked-Example-Effekt), die den Lernenden Zuordnungen erleichtern und zentrale Wissensbausteine langsam aufbauen und verknüpfen.
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