Bauernhoftiere bewegen Kinder
„Bauernhoftiere bewegen Kinder“ wurde 2017 erstmalig vom pala-Verlag herausgegeben. Es handelt sich dabei um ein Praxisbuch, in dem die Erfahrungen aus der tiergestützten Arbeit mit behinderten Kindern vorgestellt werden. Neben zahlreichen praktischen Einblicken und Übungen werden Fallbeispiele vorgestellt und Fotos gezeigt. Besonders geeignet ist es für Bauernhofpädagogen[1] und Tiertherapeuten, die sich über die Potenziale und Einsatzmöglichkeiten der verschiedenen Bauernhoftiere informieren möchten.
Darüber hinaus können sich auch Lehrer, Erzieher und Eltern mit dieser speziellen Form der Therapie auseinandersetzen, die sich auf andere Tiere und Alltagssituationen übertragen lässt. Vor allem im Rahmen des außerschulischen Lernens ergeben sich viele neue Impulse, um der zunehmenden Heterogenität der Kinder gerecht zu werden.
Lernziele und Kompetenzen
Im Rahmen der Durchführung der im Buch vorgestellten Projekte können die Lernenden vielfältige Kompetenzen erwerben, die auch Gegenstand der Lehrpläne sind. So werden im Buch zahlreiche unterrichtliche Einbettungsmöglichkeiten genannt, die beispielsweise das Pflanzen und Ernten von Kartoffeln, die Haltung von Kühen, Schweinen und Schafen oder die Nutzung von Felderzeugnissen wie Heu, Stroh oder Mais umfassen. Beim Aufzeigen dieser Möglichkeiten werden die Herausforderungen, denen die Lehrkräfte und die Schüler beim außerschulischen Lernen auf dem Bauernhof konfrontiert sind, gezielt angesprochen und alternative sowie lerngruppenspezifische Umsetzungshinweise gegeben. Dazu zählen beispielsweise Aspekte der Barrierefreiheit, der Differenzierung, der Aktivierung und der Motivation (vgl. Team Bridges 2018, S. 353 ff.).
Aufbau und Analyse der Kapitel
Das Buch besitzt ein Hardcover und beginnt mit einigen einleitenden Seiten wie Impressum, Danksagung und Inhaltsverzeichnis. Im letztgenannten sind alle Kapitel mit den entsprechenden Unterkapiteln zu finden. Begonnen wird mit einigen einleitenden Worten der Autorinnen, die sich selbst und ihre Expertise vorstellen. Es folgt das erste Kapitel, das sich theoretisch an die Thematik annähert. Neben grundlegenden Arbeitsbegriffen wird das Modell der Tiergestützten Intervention (TGI) vorgestellt, das die Basis für die Arbeit mit dem Buch darstellt. Hierzu gibt es ein Schaubild, mit dem die Zusammenhänge illustriert werden. Daneben werden Ziele der Arbeit auf dem Bauernhof sowie die Wirkung dieser besonderen Umgebung auf die Lernenden verdeutlicht. Mit Hilfe von Fotos erfolgt eine besondere Fokussierung auf die einzelnen Themen und Inhalte.
Das zweite Kapitel wendet sich den Bauernhoftieren zu und erörtert den Mehrwert der Arbeit mit ihnen. Sie werden als „Co-Therapeuten“ ausgewiesen und einzeln angesprochen. Im Fokus steht zunächst das Schwein. So wird im ersten Abschnitt die Abstammung, das Wesen und das Verhalten der Tiere sowie ihre spezifische „Sprache“ und Mimik angesprochen. Im Anschluss daran erfolgt die Darstellung von tiergerechten Einsatzmöglichkeiten, die über das klassische Füttern und Pflegen der Schweine hinausgehen. Neben dem Bau eines Unterstandes wird auch das Spielen mit einem „Futterball“ thematisiert. Alle Beispiele werden begleitet von praktischen Tipps, die mit Fotos und beschreibenden Texten zusätzlich veranschaulicht werden. Abschließend kommen Aspekte des Tierschutzes und der artgerechten Haltung der Tiere zur Sprache, die es bei der Arbeit vor Ort mit den Schülern zu berücksichtigen gilt. Dem Beispiel des Schweins folgend werden die Kuh, das Schaf, die Ziege, das Huhn und der Esel als mögliche Co-Therapeuten vorgestellt. Die tierspezifischen Besonderheiten, die die Abstammung, Haltung, Mimik und das Verhalten behandeln, werden stets zuerst betrachtet. Danach werden zumeist einige praktische Beispiele aus der eigenen Arbeit der Autorinnen gegeben.
Im dritten Kapitel wird die Ausbildung der Tiere in den Blick genommen. Dabei stehen gezielte Übungen für die Tiere im Vordergrund mit denen sie an die Interventionen mit den Kindern und Jugendlichen herangeführt werden können. Es wird explizit auf die Beziehungspflege, die Sozialisation, die Gewöhnung der Tiere an Menschen und Gegenstände wie Krücken, Bälle oder Rollstühle sowie die begleitende und weiterführende Ausbildung eingegangen. Mithilfe von Bildern wird die Informationsvermittlung unterstützt. Weiterhin werden Wege aufgezeigt, wie die Tiere trainiert werden können. Dabei kommen unterschiedliche Formen der Konditionierung zum Einsatz.
Das vierte Kapitel widmet sich der Arbeitssicherheit im bekannten Zusammenhang. Zunächst geht das Buch auf die persönlichen Voraussetzungen der Betreuungspersonen und Pädagogen ein. Im Anschluss werden die tierischen Voraussetzungen behandelt. Im Fokus stehen Aspekte des Tierschutzes und –rechts, in dem auch die Hygiene und Gesundheit der Tiere zur Sprache kommen. Weiterführend geht es um betriebliche, räumliche und rechtliche Gesichtspunkte, die ebenfalls zielführend und kurz thematisiert werden.
Im Rahmen des fünften Kapitels zeigt das Buch unterschiedliche Umsetzungsmöglichkeiten bei verschiedenen Arten von Behinderungen. So wird durch langzeiterprobte und erfolgreich umgesetzte Fallbeispiele eine bunte Mischung von Fallbeispielen, die sich für den Einsatz bei Körperbehinderungen, Schwerstmehrfachbehinderungen, Sehbehinderungen, autistischen Verhaltensweisen, Sprachbehinderungen und sozial-emotionalen Störungen eignen. Wieder werden durch die Bilder und kurzen Beschreibungen Exempel aus der eigenen Arbeit dargelegt.
Auf den Seiten des sechsten Kapitels führt das Buch in die Methodik, materielle Aufbereitung und Reflektion ein. Hierzu wird unter Zuhilfenahme der SMART-Methode die Entwicklung eines individuellen Förderplans aufgezeigt. Als erster bedeutender Schritt benennt das Buch das Bestimmen von Förderzielen und die Planung von Einheiten. Zudem ist das Einbeziehen der Erziehungsberechtigten und der Lehrkräfte ein zentraler Baustein. Mit Blick auf die Evaluation der Therapiestunden wird die Objektivität als bedeutendstes Kriterium herausgehoben. Auch die Anschaffung von Zusatzmaterialien wie Tierfiguren, Handpuppen oder Fühlsäckchen wird empfohlen.
Das siebte Kapitel ist gespickt mit praktischen Übungen und Handlungsempfehlungen der Autorinnen. So werden konkrete Beispiele vorgestellt, die einer strengen Struktur folgen: als erstes steht immer die Idee gefolgt von den Förderzielen, daran schließen sich einige Profitipps an sowie Hilfsmittel und ein Ablaufplan. Auch zusätzliche Einsatzmöglichkeiten werden benannt. Die Bilder unterstützen zusätzlich bei der Durchführung.
Im achten Kapitel kommen die Autorinnen auf die Kostenkalkulation zu sprechen. Dabei stehen sowohl die ersten Anschaffungskosten als auch die Arbeits- und Haltungskosten der Tiere im Mittelpunkt. Auch variable Ausgaben, Futterkosten und Einsparmöglichkeiten werden dargelegt. Die Autorinnen selbst ziehen ebenfalls eine persönliche Bilanz. Der Anhang bildet den Abschluss des Buches. Darin sind die Tiere abgebildet und auf Quellen sowie weiterführendes Material hingewiesen.
Reflexion
Abschließend lässt sich festhalten, dass das Buch einen sehr gelungen und praxisnahen Einblick in die sonderpädagogische Arbeit mit Bauernhoftieren bietet. Besonders erwähnenswert sind die gut strukturierten Kapitel, die mehrere Perspektiven auf die Thematik werfen. Die theoretischen Grundlagen sind aus aktuellen Forschungsansätzen entnommen, müssen jedoch teilweise mit Blick auf das einbettende Fach spezifiziert werden. Dennoch bieten die enthaltenen Beschreibungen der einzelnen Tiere einen sehr umfangreichen Zugang zur Thematik. Die gewählten Praxisbeispiele sind sehr authentisch und weisen einen hohen Lebensweltbezug auf. Durch die Bilder und die einfache Sprache wird Pädagogen, die an dieser Arbeit interessiert sind, ein umfangreicher Einblick gewährt. Insgesamt wird deutlich, dass der Bauernhof und seine Tiere eine gute Chance sind, um auch Lernenden mit Behinderung außerschulisches Lernen zu ermöglichen. Mit diesem Werk wird deutlich, dass der Bauernhof sich für tiergestützte Therapie und Pädagogik sehr gut eignet. Lehrkräfte sollten sich diesem Potenzial bewusst sein und diese Möglichkeiten in Beratung und Begleitung von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Bedarfen thematisieren.
[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit findet im Weiteren das generische Maskulinum Anwendung.
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