Diercke Erdkunde 9/10
Das Schulbuch „Diercke Erdkunde 9/10 Gymnasium Niedersachsen G9“ ist 2016 in der ersten Auflage im Westermann-Verlag erschienen. Es wurde für den Einsatz im Fach Erdkunde in der Klassenstufe 9/10 konzipiert. Um dies optimal zu begleiten, stellt der Verlag online einen Vorschlag für einen schulinternen Arbeitsplan zur Verfügung. Daneben können eine E-Book-Ausgabe oder ein digitaler Unterrichtsassistent (BiBox) dort erstanden werden. Weiterhin erscheint der Schulatlas im selben Verlag, sodass auch hier eine enge Abstimmung möglich ist. Das Thema Landwirtschaft wird im Kapitel 2 „Wirtschaftsräumliche Verflechtungen und Strukturwandel“ und im Kapitel 6 „Ressourcennutzung und Nachhaltigkeit“ angesprochen.
Lernziele und Kompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler[1] erhalten mit der Bearbeitung des Schulbuches die Möglichkeit Kompetenzen zu erwerben, die im Kerncurriculum der Jahrgangsstufe 9/10 für das Fach Erdkunde in Niedersachsen vorgesehen sind. So wird in den curricularen Vorgaben beispielsweise gefordert, dass die Schüler die Ursachen und Folgen des wirtschaftlichen Strukturwandels erläutern können. Das Schulbuch setzt diese Forderungen auf einer Doppelseite um, auf der die Wirtschaftssektoren und ihre Entwicklung näher beleuchtet werden. In diesem Zusammenhang werden die Entwicklungsstände unterschiedlicher Staaten weltweit kontrastiert und analysiert. Ein in diesem Zusammenhang wichtiger Aspekt ist die Thematisierung der Entwicklungen im primären Sektor. Diese werden auf insgesamt vier Doppelseiten behandelt. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf den strukturellen Veränderungen in dieser Branche, die es für die Schüler zu charakterisieren und zu bewerten gilt.
Aufbau und Analyse der Kapitel
Das Schulbuch beginnt im Einband mit einer Erläuterung seiner Konzeption. Es handelt sich dabei um eine klassische Doppelseitenstruktur. Die Themendoppelseiten werden ergänzt durch Methodenseiten, die das Erlernen von fachspezifischen Arbeitsweisen und fächerübergreifenden Arbeitstechniken fokussieren, Projektseiten, die die Durchführung eines Projektes empfehlen, Orientierungsseiten, auf denen topographisches Mindestwissen im Vordergrund steht, und Kompetenztrainingsseiten, die am Ende jedes Kapitels das selbstständige Überprüfen des Gelernten ermöglichen. Darüber hinaus sind auf einigen Seiten Hinweise auf Atlaskarten enthalten, die auf digitale Karten im Internet verweisen und die über einen Online-Schlüssel abgerufen werden können. Es folgt das Inhaltsverzeichnis, in dem die sieben Kapitel mit ihren Unterkapiteln sowie dem Anhang aufgelistet werden.
Die Kapitel beginnen mit Einstiegsdoppelseiten, die mit großformatigen Bildern in die Themen einstimmen. Auf den Themendoppelseiten werden unterschiedliche Medien miteinander kombiniert: Texte, Tabellen, Grafiken, Fotos und Diagramme. Häufig nimmt der Text den größten Teil der Seiten ein. In den Aufgaben wird zur tiefergehenden Auseinandersetzung mit den Sachverhalten aufgefordert. Diese lassen sich in vier Aufgabentypen gliedern. Während die einfachen inhaltlichen Aufgaben blau unterlegt sind, werden die Aktiv-Aufgaben, die der selbstständigen Wissenserweiterung dienen, rot gekennzeichnet. Daneben gibt es Transfer-Aufgaben, die orange und Diskussions-Aufgaben, die grün markiert sind. Zu den inhaltlichen Aufgaben gibt es in einigen Fällen eine Starthilfe, die im Anhang zu finden ist. Dort werden außerdem Hilfestellungen zur Umrechnung und zum Vergleichen von Maßeinheiten gegeben, Begriffe in einem Minilexikon erläutert, ausgewählte Arbeitsmethoden (teilweise auch aus vergangenen Jahrgängen) wiederholt, Operatoren erklärt und Daten für ausgewählte Staaten zur Verfügung gestellt. Den Abschluss bildet das Bildquellenverzeichnis.
Die Seiten zur Landwirtschaft finden sich im Kapitel 2 „Wirtschaftliche Verflechtungen und Strukturwandel“, wobei besonders die Doppelseiten „Industrielle Landwirtschaft“, „Einflüsse auf die Agrarproduktion“, „Agrarproduktion ethisch hinterfragt“ und „Methode: „Vier Blicke“ auf einen Raum“ Inhalte zur Landwirtschaft aufgreifen. Im Kapitel 6 „Ressourcennutzung und Nachhaltigkeit“ sind es die Seiten „Tank, Trog oder Teller“, „Biogasanlagen unter der Lupe“ und „Boden – unsere gefährdete Lebensgrundlage“. Die übrigen Kapitel thematisieren die Landwirtschaft nur ranständig und sollen daher in dieser Analyse nicht berücksichtigt werden.
Reflexion
Insgesamt ist in der Analyse der Kapitel bereits deutlich geworden, dass die Seiten des Schulbuches medial vielfältig und schülergerecht gestaltet worden sind. Die Kapitel zeichnen sich durch einen logischen Aufbau und eine gute Strukturierung aus. Dennoch könnten die Überschriften präziser und transparenter formuliert werden, sodass die Schüler wissen, welche Anforderungen an sie gestellt werden. Die Texte der Seiten sind ungleichmäßig lang: während einige Seiten nahezu ausschließlich aus Texten bestehen, haben andere wiederum nur einen sehr kleinen Textanteil. Insgesamt ist zu sagen, dass die Texte sprachlich auf einem sehr hohen Niveau sind. Ihr fachlicher Informationsgehalt ist sehr gering und aufgrund der sprachlichen Komplexität für die Schüler schwer zu überblicken. Auch in den Aufgaben wird deutlich, dass die fachlichen Sachverhalte von den methodischen Akzentuierungen zurückgedrängt werden. So dienen sie weniger dem Erwerb fachlicher Kompetenzen, sondern bedienen eher den methodischen Kompetenzerwerb. Selten werden Fachbegriffe hervorgehoben oder erläutert. Die Auswahl der Bilder und Grafiken ist gelungen, einige von ihnen könnten jedoch zielgerichteter und größer sein.
Die Seiten des zweiten Kapitels zur Landwirtschaft beleuchten zunächst die „Industrielle Landwirtschaft“. In der Überschrift und im Text werden keine fachlichen Klärungen vorgenommen, die zur Unterscheidung der beiden Fachwörter „Strukturwandel“ und „industrielle Produktion“ beitragen. Somit ist keine inhaltliche Transparenz für die Lernenden gegeben. Der Text nennt und arbeitet mit vielen Fachbegriffen, die aneinandergereiht und nicht erläutert oder aufeinander bezogen werden. Einen überdurchschnittlich großen Anteil nehmen auf der Doppelseite die Tabellen und Diagramme ein (mehr als 75 Prozent). Zu diesen Materialien werden keine Arbeitsaufträge formuliert oder Erklärungen abgegeben. Sie sind im Rahmen der Bearbeitung der Aufgaben von den Schülern auszuwerten und zu analysieren sowie zueinander ins Verhältnis zu setzen. Selbst Lernenden in der Klassenstufe 9/10 des Gymnasiums dürfte das eher schwerfallen.
Eine weitere Doppelseite beschäftigt sich mit der ethischen Hinterfragung der Agrarproduktion mithilfe der Methode des Werteurteils. Neben der Erläuterung der Arbeitsmethode werden den Lernenden dort textliche und bildliche Informationen zur Verfügung gestellt, die eine einseitige Perspektive auf die Thematik vermitteln und mit deren Hilfe eine fachlich fundierte Argumentation schwierig erscheint. Die textlichen Informationen und die Aufgaben regen nicht zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema an, sondern zur Anwendung der Methode des Werteurteils. Sie verleiten vielmehr die Lehrkräfte und die Schüler dazu, eine einseitige Perspektive auf die Thematik zu werfen. Gerade in der Bearbeitung eines derartig komplexen Sachverhalts sollten mehrere Quellen herangezogen werden. Gleiches gilt für die Doppelseite, die sich mit der Raumanalyse („Vier-Blick-Methode“) widmet. Darin steht die niedersächsische Stadt Wietze im Zentrum der Betrachtungen, die 2013 durch den geplanten Bau eines Geflügelschlachthofes große mediale Präsenz erfuhr. Dies wird auf diesen Seiten besonders in den Vordergrund gerückt. Die gewählten Zeitungsartikel und Abbildungen lassen eine Neutralität in der Darstellung der Sachverhalte vermissen. Bei der Bearbeitung dieser Seiten ist es daher zwingend erforderlich, die Lernenden beim Kompetenzerwerb gemäß dem Lernziel zu leiten.
Im sechsten Kapitel, dass sich mit Ressourcennutzung und Nachhaltigkeit auseinandersetzt, wird das Thema Landwirtschaft im Kontext erneuerbarer Energien und nachhaltiger Bodenbewirtschaftung angesprochen. Auf der ersten Doppelseite, die sich der Diskussion „Tank, Trog oder Teller?“ widmet, werden viele Medien zur Bearbeitung der Thematik bereitgestellt. Ihr Verhältnis untereinander ist ausgewogen und die Seite insgesamt wirkt motivierend. Jedoch steht auch auf diesen Seiten weniger die tiefgründige fachliche Aufarbeitung und Information über die Problemstellung im Vordergrund. Vielmehr wird auf diesen Seiten eine oberflächliche Darstellung der Sachverhalte vorgenommen. Die Grafiken und Tabellen sind jedoch sehr aussagekräftig und können mithilfe der Aufgaben zielgerichtet ausgewertet werden. Auf der folgenden Doppelseite zur Funktionsweise einer Biogasanlage werden ebenfalls vielfältige Medien zur Auseinandersetzung mit dem Thema geboten. Die Grafiken und Schemata sind sehr informativ und tragen zum besseren Verständnis bei. Der Text zeichnet sich erneut durch eine sehr anspruchsvolle und wenig schülergerechte Sprache aus. Fachbegriffe werden nicht erläutert und die Nachteile von Biogasanlagen in den Vordergrund gerückt.
Alles in allem ist in der analytischen Betrachtung des Schulbuches deutlich geworden, dass es medial vielfältig und motivierend gestaltet ist und durch die Aufgaben sowie die abwechslungsreichen Methoden zum vernetzten Denken anregt. Darüber hinaus sind auch die ansprechenden Grafiken positiv zu bewerten. Weniger gut gelungen sind insbesondere die Texte, welche die geographischen und landwirtschaftlichen Sachverhalte nicht ausreichend tiefgründig und didaktisch reduziert behandeln. Auch die Quellenauswahl und die dargestellten Berichte sollten ausgewogener präsentiert und entsprechend reflektiert werden, um insbesondere bei der Bildung eines wertenden Urteils eine einseitige Argumentation zu vermeiden. Die Aufgaben, die dieses Missverhältnis ausgleichen könnten, dienen weniger einer fachlich fundierten Auseinandersetzung mit der Thematik, sondern eher der Festigung von methodischen Kompetenzen. Das außerschulische Lernen, mit dem ein wesentlicher Beitrag zur Informationsgewinnung geleistet werden könnte (beispielsweise durch den Besuch einer Biogasanlage oder eines Schlachthofes), ist im Rahmen der Bearbeitung der landwirtschaftlichen Themen nicht vorgesehen.
[1] Zur besseren Lesbarkeit wird im Weiteren das generische Maskulinum verwendet.
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