starkeSeiten 7-10
Das Lehrwerk „starkeSeiten 7-10, Alltagskultur | Ernährung | Soziales“ ist 2017 in der zweiten Auflage im Klett-Verlag erschienen. Es handelt sich dabei um ein Schulbuch, das im Wahlpflichtbereich der Sekundarstufe I im Bundesland Baden-Württemberg eingesetzt werden kann, wo es das Fach „Mensch und Umwelt“ bedient. Inhaltlich stellt es die Themen vom siebten bis zum zehnten Schuljahr in einem Lehrwerk zusammen. Neben dem Schülerbuch gibt es eine Lehrerausgabe und ein digitales E-Book, das einen vielseitigen Einsatz in mobilen Settings ermöglicht. Das Thema Landwirtschaft wird in den ersten drei Kapiteln thematisiert, wobei besonders im dritten mit dem Titel „Meet your meat“ darauf eingegangen wird.
Lernziele und Kompetenzen
Mit der Bearbeitung des Lehrwerkes haben die Schülerinnen und Schüler[1]die Chance, sich vielfältige Zugänge zum Thema Landwirtschaft zu erarbeiten, die sich auch in den curricularen Vorgaben des Landes wiederfinden. So wird beispielsweise auf den Unterschied zwischen einer frischen Zubereitung von Speisen und deren äquivalente Fertigprodukte eingegangen. Auch die gesundheitlichen Vor- und Nachteile werden dabei beleuchtet. Ein wesentlicher Aspekt ist zudem die Weiterverarbeitung und die Veredelung von Rohprodukten wie zum Beispiel Kuhmilch, die auf verschiedene Weise haltbar gemacht oder zu anderen Lebensmitteln wie Käse oder Joghurt weiterverarbeitet werden kann. Im dritten Kapitel, in dem es wie eingangs bereits erläutert um die Fleischproduktion geht, werden die Zusammenhänge zwischen der Fleischproduktion und dem Konsum des Produktes dargestellt und der steigende Bedarf sowie dessen Folgen erörtert. Darauf aufbauend wird die ökologische Landwirtschaft angesprochen, deren Merkmale, die Standardisierung und Kennzeichnung der Lebensmittel vorgestellt werden.
Neben den fachlichen Inhalten fokussiert das Schulbuch auf den Erwerb von Methodenkompetenz, vor allem im handlungsorientierten und praktischen Bereich. So wird beispielsweise die Zubereitung von Speisen nach einem vorgegebenen Rezept oder die Durchführung einer Befragung empfohlen. Hierzu bietet das Lehrwerk oftmals Schrittfolgen an, die die Schüler bei der Durchführung des Vorhabens anleiten und sie bei der Bewertung der Ergebnisse unterstützen.
Aufbau und Analyse der Kapitel
Das Schulbuch startet mit der Erläuterung der Konzeption. Dazu wird die Intention der einzelnen Themen- und Sonderseiten dargestellt. Auch der Aufbau einer Themendoppelseite mit ihren Darstellungen, Symbolen und Hervorhebungen wird erklärt. Es schließt sich das Inhaltsverzeichnis an.
Die Kapitel beginnen mit Einstiegsseiten. Hier finden sich erste Impulse, mit denen die Lernenden für das neue Thema motiviert und ein erster Zugang geschaffen werden soll. Dies kann auch durch die Impulsfragen geschehen, die dort formuliert werden. Darüber hinaus werden auf diesen Seiten die Kompetenzen ausgewiesen, die sich die Schüler im Rahmen der Bearbeitung aneignen sollen. Auch erste Ideen für Projekte sind gegeben. Auf den Themendoppelseiten soll den Lernenden alles Wichtige zu den jeweiligen Lerninhalten präsentiert werden. Zu diesem Zweck werden verschiedene Medien miteinander kombiniert: Texte, Bilder, Grafiken, Schaubilder, Tabellen und Aufgaben. Hinzu kommen unterschiedliche Sonderseiten. Zum einen Methodenseiten: Sie sind orange unterlegt und verfolgen das Ziel, die Lernenden zu handlungsorientierten Lernmethoden anzuleiten. Oftmals werden Schrittfolgen für den Handlungsvollzug oder andere Hinweise zur Durchführung und Ergebnisüberprüfung gegeben. Weiterhin gibt es Projektseiten, die die Organisation eines Unterrichts- oder Lernprojektes intendieren. Auch hier finden sich häufig Step-by-step-Anleitungen, welche den Schüler bei der Planung, Durchführung, Auswertung und Reflexion des Projektes helfen. Am Ende jedes Kapitels befinden sich Testseiten, mit denen die Schüler das Gelernte individuell unter Zuhilfenahme von Aufgaben überprüfen können.
Das Kapitel drei „Meet yout meat“ setzt sich im Speziellen mit der Fleischproduktion und dem Konsum des Produktes auseinander. Besonderer Fokus liegt dabei auf der konventionellen und ökologischen Tierhaltung, die ausführlich betrachtet werden. Einen weiteren Aspekt markieren neuere Ernährungstrends wie Superfoods und vegane Ernährung. Abschließend wird das Thema Nachhaltigkeit unter Berücksichtigung des Konsumverhaltens und der Regionalität von Nahrungsmitteln betrachtet. Auf Sonderseiten befinden sich in dem Kapitel eine Doppelseite zum Thema Reflexion mit verschiedenen Fallbeispielen, an denen geübt werden kann. Zudem findet sich eine Projektseite, welche die Planung eines „Gladmat“-Buffets (Glückliches-Essen-Buffet) vorsieht. Das Kapitel schließt mit einer Überprüfungsseite.
Reflexion
Die Analyse zeigt, dass das Lehrwerk thematisch vielfältig, ansprechend und einheitlich gestaltet ist. Es hat ein schülermotivierendes und zielgruppengerechtes modernes Layout. Die Texte sind lang und nehmen mehr als die Hälfte der Doppelseiten ein. Allerdings sind sie gut gegliedert und wichtige (Fach-)Begriffe werden fett hervorgehoben. Auf diese Weise werden die Lernenden motiviert, die langen Texte zu lesen und diejenigen, die entsprechende Förderbedarfe aufweisen, beim Lesen unterstützt. Weiterhin gibt es Informationstexte, die die Autorentexten ergänzen. Hierin erhalten die Lernenden weiterführende Informationen, die ihnen beim Lösen der Aufgaben helfen oder im Alltag von Relevanz sind. Dies sind oftmals Quellentexte, können aber auch durch die Autoren zusammengefasste Informationen oder Merksätze sein.
Die Bilder sind in der Regel zielführend ausgewählt und unterstützen die Lernenden beim Kompetenzerwerb. Vereinzelt entsteht jedoch der Eindruck, dass die Bilder als Platzhalter dienen, um leere Stellen zu füllen. Dies sollte in Lehrwerken jedoch zugunsten einer vernetzten Inhalts- und Seitenstruktur vermieden werden (vgl. BALLSTAEDT 1997). Die Schaubilder sind schülergerecht und motivierend. Die Infografiken hingegen sind sehr komplex und teilweise schwer ohne eine zusätzliche Erläuterung der Lehrkraft verständlich. Derartige Darstellungen sollten stets von den Lernenden selbst durchdrungen werden und keiner weiteren Erklärung außerhalb des Materials bedürfen (vgl. ebd.). Zudem sollte in den Infografiken mit kurzen Stichworten und weniger mit ganzen Sätzen gearbeitet werden. Darüber hinaus ist die Schrift stellenweise sehr klein, sodass Schüler mit Sehschwäche benachteiligt sein könnten.
Die Aufgaben und deren Symbole werden auf der ersten Seite des Lehrwerkes erläutert. Dennoch könnten die Schüler durch die zahlreichen Symbole verunsichert werden. In den Aufgaben wird außerdem zwischen Basiswissen und erweitertem Wissen unterschieden, was durch volle und halbe Kreise Ausdruck findet. Die Sozialform wird ebenfalls durch ein Symbol ausgewiesen. Leider sind die Aufgaben nur vereinzelt operationalisiert formuliert. Dennoch sind sie taxonomisch gegliedert und leiten zum Auswerten der Materialien an.
Die Seiten des dritten Kapitels steigen mit einer Doppelseite ein, die sich mit der konventionellen Landwirtschaft befasst. Der Text und eine anschauliche Grafik gehen zunächst auf den Fleischkonsum in Deutschland ein . Beides zeigt, dass in Deutschland viel Fleisch gegessen wird. Ein weiterer Absatz setzt sich mit der Fleischproduktion auseinander. Hierbei wird der hohe Flächenverbrauch sowie der Raubbau in Amazonien zugunsten eines großflächigen Sojaanbaus thematisiert. Der Text schlägt auch einen Bogen zur Welternährungssituation und zum wachsenden Wohlstand in Schwellenländern. Grafiken, die diese veranschaulichen, oder konkretere Formulierungen im Text, bei denen unter Verwendung der (Fach-)begriffe „Globalisierung“ und „globale Wertschöpfungsketten“ die Zusammenhänge noch einmal verdeutlichen, sind nicht zu finden, wären aber aufgrund der Komplexität des Sachverhaltes wünschenswert. Auch in den Aufgaben wird dies nicht noch einmal aufgegriffen. Dies ist jedoch zwingend erforderlich und muss im Unterricht ausführlich besprochen werden, um eine systemische Vernetzung der Informationen zu erzielen. Hinzu kommt eine Tabelle, in der es um die Gegenwart und die Zukunft in der Tierhaltung geht. Es wird darin eine diametrale Gegenüberstellung vorgenommen, die eine stark wertende Kontrastierung vornimmt. Zudem gibt es eine weitere Tabelle und ein Schaubild, welche den Einsatz von Medikamenten in der Tierhaltung aufzeigen. Die Lernenden werden auch hier mit der Auswertung der Materialien allein gelassen und die Aufgaben leiten nicht zu deren Auswertung an. Schüler sollten hingegen schrittweise an diese schwierigen und gesellschaftlich kontrovers diskutierten Themen herangeführt und beim Auswerten durch Materialien unterstützt werden. Auf der gesamten Doppelseite wird mit plakativen Begriffen gearbeitet, die nur teilweise oder gar nicht erläutert werden. Stellenweise wird Vorwissen vorausgesetzt, über welches die Lernenden unter Umständen nicht verfügen.
Diese Seite steht bezüglich der dargestellten Mängel auch stellvertretend für die weiteren Seiten des Kapitels. Fachliche Ungenauigkeiten finden sich auch auf der Doppelseite zur ökologischen Landwirtschaft. Hier wird im ersten Absatz ausgesagt, dass nur ökologische Landwirtschaft nachhaltig, umweltschonend und tiergerecht sein kann. Auch das Schaubild zur Kreislaufwirtschaft wird fälschlicherweise als „Kreislauf der artgerechten Tierhaltung“ bezeichnet. Die Bilder auf dieser Seite sind aus unserer Sicht zudem idyllisierend und stellenweise irreführend.
Fazit: Das Schulbuch können wir hinsichtlich des betrachteten Kapitels nur eingeschränkt zur Nutzung im Unterricht empfehlen. Grundlage für diese Bewertung sind die stellenweise falschen fachlichen Aussagen und der geringe Grad der Vernetzung zwischen Texten, Materialien und Aufgaben. Wir vermissen eine schrittweise Hinführung zu den Fragestellungen verbunden mit einer ergebnisoffenen Bewertung der Themen. Wenngleich das außerschulische und handlungsorientierte Lernen häufig intendiert wird, so überwiegen auch in diesem Bereich die genannten Mängel, die von einer Lehrkraft nur schwer kompensiert werden können.
[1]Im Weiteren wird zur besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet.
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